Freitag, 30. Mai 2014

Rügen 2014 - Operation Heuwiese

Heute ist die letzte Etappe unserer Rügentour angesetzt. Von Schaprode nach Stralsund soll es gehen. Die Sonne scheint. Einziges Manko: der Wind dem wir in Glowe ausgewichen sind, hat von Nordost auf wiederum auflandige Westrichtung gedreht. Die Windstärke soll aber mit gemäßigten 30 km/h relativ konstant bleiben sagt die Windfinder-App. Also rein in die Boote und los. Es wird unsere härteste und eindrücklichste Tour der Rügenfahrt werden.

Wir Fahren die Küste von Ummanz ab. Auf Grund der riesigen Flachwasserbereiche ist das dortige  Ostseecamp Suhrendorf ein Eldorado für die windgetriebenen Wassersportler. Und so teilen wir uns bald das Wasser mit Wind- und Kitesurfern die zum Teil recht spektakuläre Aktionen vor und zwischen unseren Booten vollführen. Herrlichste Bedingungen machen das Fahren zum Vergnügen.

Wir machen eine letzte Rast und da der Wind entgegen aller Vorhersagen merklich aufgefrischt ist, beratschlagen wie wir wohl am Besten den Kubitzer Bodden überqueren um in den Strelasund zu gelangen. Die ganz sichere Variante ist das Ausfahren des Küstenlinie. Die kürzeste Verbindung spart uns jedoch 18 Kilometer. Wir wählen diese Variante auch vor dem Hintergrund mit dem Wind im Rücken in den Bodden flüchten zu können. Allerdings gibt es auch die Überlegung gegen den Wind unter Land auf die Stralsunder Seite zu flüchten, denn von hinten auflaufende Wellen sind durchaus auch eine Herausforderung.

Wir passieren die Heuwiese als letzte Landmarke bevor es auf die offene Wasserfläche geht. Lars macht Tempo. Die Gruppe verteilt sich auf ca. 200 m Länge und Breite.  Dann geht alles ganz schnell. Wir finden uns in heftig wogendem Wasser gepaart mit kräftigem Wind wieder. Der Tross fährt weiter, schafft es aber nicht sich zusammenzuziehen. Die Wellenhöhe nimmt weiter zu. Wir müssen eine Entscheidung treffen denn diese Wellen parallel zu fahren ist für uns eine Nummer zu groß. Absprachen müssen jetzt blind klappen und: sie funktionieren nicht. Der Nebenmann ist auch bei nur knapp 20 m Abstand nicht mehr zu verstehen.Während Lars, Steffen, Thomas und Moppie in süd-südöstlicher Richtung in den Bodden eindrehen, entschließen sich die am Schluss fahrenden Martin und Heiko in west-südwestlicher Richtung gegen den Wind unter Land zu kommen.

Was dann folgt dürften dann wohl getrost als Feuertaufe für das Seekayakfahren gewertet werden. Beide Strecken werden uns auf 8 km Länge fordern. Der Wind scheint weiter zuzunehmen. Die Wellen brechen. Gischt spritzt uns ins Gesicht. Während die Boddenfahrer mit den Wellen surfen, kämpfen Martin und Heiko gegen den Wind. Beides stellt eine eigene Herausforderung dar. Beim Surfen tauchen die vorderen Bootskörper der Kayaks tief ab und die Geschwindigkeit nimmt so enorm zu, das einem Himmel,  Angst und Bange werden könnte. Jeder entwickelt seine Technik um den Wellen Herr zu werden. Paddelstütze, ein paar Schläge in die gewünschte Richtung. Doch das Kurs halten fällt schwer stehen doch die Steuerblätter bei diesem Wellengang ständig in der Luft.

In der anderen Richtung kämpfen Martin und Heiko in den gut 1,50 m hohen Wellen. Das Ufer kommt nur unmerklich näher. Der Wind treibt die Boote vom eigentlichen Kurs ab. Aber zum Glück dient ein Kirchturm am Horizont um die Peilung zu halten. Martin und Heiko fahren im Abstand von 10-30 m auseinander. Die Wellen sind so hoch, dass sich die beiden nicht sehen können wenn einer von Ihnen gerade im Wellental ist. Konzentriert fahren, dreißig Grad die Wellen schneiden und nicht die Nerven verlieren. Die salzige Gischt vom durchtauchen der Wellen macht den Mund trocken. Das Trinksystem ruht im Heck. Es hervorzuholen absolut unmöglich. Als beide die Fahrrinne kreuzen, sehen sie wohl noch so souverän aus, dass die Besatzungen der Segelboote freundlich grüßen statt Hilfe anzubieten. Hier stellt sich die Frage, selbst um Hilfe bitten oder weiterfahren. Keiner fragt. Dennoch schießen Gedanken durch den Kopf: Wie geht es den anderen? Was passiert wenn einer kentert? Zwar haben wir das gegenseitige "Wiederinsboothelfen" und auch den alleinigen Einstieg mit Paddelfloat unter Schwimmhallenbedingungen geübt, aber in diesen Wellen erscheint dies völlig unmöglich.

Die Ostsee gönnt uns auf beiden Seiten keine Pause. Ein kurzes abflauen des Windes wird darauf mit noch einmal höheren Wellen "belohnt". Die Kräfte schwinden. Über ein Stunde geht der Kampf. Aber trotz dessen, dass alle einige kritische Situationen haben, bei denen sie in letzter Sekunde die Kenterung verhindern, kommt das Ufer näher und mit ihm werden die Wellen flacher.

Fast zeitgleich wählen die Trupps die Telefonnummer des jeweils Anderen. Erleichterung. Alle wohlauf. Alles Helden. Das logistische Problem, das ein Trupp auf Rügen sitzt und den Autoschlüssel hat, während Martin und Heiko noch bis Stralsund durchfahren ist gemessen an den bestandenen Herausforderungen nur ein Klacks.

Man soll seinen Urlaub ja so planen, dass er von der Erlebnisseite her dramaturgisch zunimmt. Wenn auch ungewollt haben wir mit unserer Rügentour 2014 in dieser Hinsicht einen Volltreffer gelandet. Das eigentliche Ziel Rügen zu umrunden wurde zwar nicht erreicht, aber der Leitsatz von uns freudbetonten Wasserwanderern spricht für sich: Der Weg ist das Ziel!

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